Geotop Drechselstein


Tipp des Monats

Der Drechselstein oder Semmelstein bei Fleckl

Grenzstein Nr. 48

Am Südfuß des Ochsenkopfes, nahe des Ortsteils Fleckl der Gemeinde Warmensteinach, führt der Wanderweg "Blauer Punkt auf weißem Grund" zur Quelle der Fichtelnaab (Ausgangspunkt am Bullheadhouse). Schon nach rund 100 m baut sich eine imposante Granit-Felsengruppe auf, an deren oberem Ende sich nach kurzer Wegstrecke ein eindrucksvoller, allein stehender Felsblock findet: der Drechselstein (manchmal auch Semmelstein genannt).

Der Drechselstein fungierte früher als Grenzstein Nummer 48 zwischen den Fürstentümern Obere Pfalz/Bayern (Oberpfalz) und der Markgrafenschaft Bayreuth. Für das Anbringen der Abmarkungszeichen wurden bevorzugt derartige Felsen benutzt.

Der Namen des Drechselsteins, das Wappen auf seiner Ostseite und die Grenzsteinnummer wurden bereits im Jahre 1536 in einem Protokoll zur Grenzziehung zwischen den beiden Fürstentümern festgehalten1:

"... darnach zu bayder Fürsten Hauptmarck einer, inn vermog ihrer Position der Drechselstein genannt, daran von allter und ytzt baider Fursten wappen und 48 sambtt einen + eingehieben ist."

Am Drechselstein sind heute noch das eingemeißelte Kreuz und die Nummer des Grenzsteins (48) zu sehen. Links neben dem Kreuz findet sich das Wappen der Wittelsbacher (Obere Pfalz/Bayern), rechts das der zollerischen Nürnberger Burggrafen.

Woher kommen die Namen "Drechselstein" und "Semmelstein"?

Die Herkunft der beiden Namen für den Felsen ist nicht geklärt. Gorny & Herrmann2 leiten "Drechselstein" als möglicherweise von dem Namen einer Person stammend ab. "Semmelstein" soll sich von der Rautenform des Wappens der Wittelsbacher ableiten. Im Dialekt der Bevölkerung wurden die bayerischen Rauten als Semmeln bezeichnet. Eine solche Erklärung als "Semmelstein" wäre daher denkbar, auch wenn der heutige Volksmund häufig eher einen Bezug zu einer Semmel (= Brötchen) sieht.

Geologische Information

Der Drechselstein besteht aus einem auffällig grobkörnigem Granit. Dieser gehört zu den so genannten "Kerngraniten" des Fichtelgebirges. Ihr Name leitet sich davon ab, dass diese Granite häufig im Kern der Granitmassive stecken (siehe Grafik bei den Bildern).

Die Granite des Fichtelgebirges lassen sich in eine Abfolge von vier nacheinander aus der Tiefe aufgestiegenen Granitgenerationen unterteilen. Diese untergliedert man in G1-Granite, G2-Granite (= Randgranite), G3-Granite (= Kerngranite) und G4-Granite (= Zinngranite). Die Altersfolge lässt sich unter anderem dadurch festlegen, dass die jeweils jüngeren Granite die älteren Granite bei ihrer Platznahme mitgerissen haben und sich diese nun als Einschlüsse in den jüngeren Graniten finden.

Am Drechselstein sind mehrere solcher Einschlüsse gut zu erkennen (siehe Bild). Bei den eingeschlossenen Graniten handelt es sich um einen feinkörnigen Granit, den man den älteren G2-Graniten (= Randgranite) zuordnen kann. Die rundliche Form der Einschlüsse spricht dafür, dass diese im heißen, vermutlich nur halbfesten Zustand in das G3-Magma gelangt sind.

Montangeschichte des Bergwerkes "beim Fuesswerk"3

Im Gelände unverkennbar existieren westlich und nordwestlich des Semmelsteins zahlreiche von SSO nach NNW angeordnete Pingen. Sie gehen zweifelsfrei auf einen Bergbau zurück, müssen hinsichtlich ihres Charakters (Einbrüche, ehemalige Schächte oder dergl.) jedoch noch näher untersucht werden.

In der Literatur bzw. den historischen Quellen gibt es Hinweise auf ein Bergwerk "Fuesswerk", "Fußwercke" bzw. "Fußwerk". So wird das Bergwerk "beim Fuesswerk" bereits 1404 genannt. Damals hatten Gewerke aus Berneck von den Nürnberger Burggrafen Lehen für "Gruben auf dem Fußwercke unter dem Fichtelberge gelegen" erhalten. Zu einem größeren Bergbau scheint es jedoch nicht gekommen zu sein.

Erst 1520 gibt es um dieses Revier an der markgräflich/kurpfälzischen Grenze wieder Aktivitäten. Zu dieser Zeit setzte die Suche nach Bodenschätzen am Ochsenkopf wieder verstärkt ein. Auf markgräflicher Seite wurden Bergleute mit zahlreichen Vergünstigungen in die Region gelockt. Diese kamen u.a. aus dem Erzgebirge (Joachimsthal, Schneeberg, Sankt Annaberg) sowie dem Nürnberger und Bamberger Raum3.

Auf kurfürstlicher Seite wurde diese Entwicklung von dem Kemnather Kastner4 Hans Kratzer argwöhnisch beobachtet. In einem Schreiben an die Regierung in Amberg mahnte er entsprechende Maßnahmen an. Kratzer hatte bereits am 5. Februar 1520 Peter Hetler mit "dem Stollen auf dem Fueßberg samt einer Fundgruben" belehnt. In ihrem Antwortschreiben vom 13. März 1520 erteilte die Regierung Kratzer die Befugnis Belehungen auszusprechen.

Mittlerweile hatte unabhängig von Kratzer der Amberger Hofmeister, Ritter Ludwig von Eyb (der Jüngere) zum Hertenstein einer Weidenberger Gewerkschaft einen Lehenbrief u.a. für das Bergbaugebiet "an dem Füßwerk" zukommen lassen. Die Regierung entsandte daraufhin mehrere Regierungsräte zur Schlichtung, die am 18. April 1520 zu einer einvernehmlichen Einigung führte: die Weidenberger Gewerkschaft erhielt 80 Kuxe5, Peter Hetler 48 Kuxe.

In dem Bericht eines der vermittelnden Ratsmitglied an den Hofmeister Ritter Ludwig von Eyb am 20. April heißt es, dass das Füsswerk noch innerhalb der pfälzischen Markung liege, es jedoch „nahe dabei“ jenseits der Grenze ein markgräfliches Bergwerk gäbe, dessen Erschließungsrichtung zur Pfalz laufe7.

Wo liegt das Bergwerk "beim Fuesswerk"?

In seinem Aufsatz im Siebenstern setzt Josef Wiche 3 die Bergbauspuren unmittelbar am Drechselstein mit dem Bergwerk "beim Fuesswerk" gleich. Nach Abmarkung der Grenzlinie 1536 liegen diese Pingen jedoch auf markgräflichem Gebiet. Der Grenzverlauf könnte vor 1536 evtl. jedoch etwas weiter westlich gelegen haben. Widerspruch ergibt sich allerdings auch durch die Beschreibung des Flurstückes im Protokoll im Verrainungsprotokoll vob 1536. Dort heißt es1:

"... Alssdann des orts weiter zu tall zu einem auffgelaintenn [aufrecht stehenden] stain, der Katzenstein genantt, darann 46 und ein + eingehieben ist, unnd furter hinab u einer grossenn puchenn [Buche], daran ein + eingehiebenn ist, auff dem Fuesswerch genanntt. Dodanenn zu negst zu einem staein, darein 47 unnd ein + angeschlagenn ist..."

Der Bereich "Fuesswerch" liegt demnach zwischen den Grenzsteinen 46 und 47 im Bereich der großen Buche. In der Uraufnahme Bayern (1808-1864) ist ca. 30 Meter südsüdwestlich von Grenzstein 46 am Abknickpunkt der Grenzlinie von 1536 ein + eingetragen. Es dürfte sich um die Position der Buche handeln. Genau hier befinden sich auch zahlreiche Pingen. Vermutlich ist dies das eigentliche Bergwerk "Fuesswerch". Aber auch hier liegt es auf markgräflichem Gebiet.




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Fußnoten und Literatur:

1 Thiem, R. (2012): Die alte Landesgrenze von 1536 zwischen der Markgrafschaft Bayreuth und der Oberpfalz. - 68 S. (Selbstverlag)
2 Gorny, M. & Herrmann, D. (o.J.): Drechselstein oder Semmelstein? - http://www.bayern-fichtelgebirge.de/heimatkunde/142.htm (abgerufen 12.06.2022)
3 Wiche. J. (2020): Das große Berggeschrey 1520. - Siebenstern, 89/3: 12-15; Hof.
4 Kastner = Bezeichnung für den Inhaber des Kastenamts, der die Einkünfte des Grundherrn in der Hofkammer (= Kasten) verwaltete.
5 Kux/e = Anteil an einem Bergwerk, das in der Rechtsform einer bergrechtlichen Gewerkschaft betrieben wird (Gesamt i.d.R. 128 Kuxe).
6 Hecht, L. (1998): Granitoide im Fichtelgebirge. - Jahresbericht Mitteilungen Oberrheinischer Geologischer Verein, Neue Folge, Band 80, S. 223-250.


Bildimpressionen







Hinweis

Der Drechselstein bzw. Semmelstein sind zusammen mit der südlich liegenden Felsengruppe als Naturdenkmal ausgewiesen. Die Felsengruppe liegt in der Waldabteilung Semmelstein.


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